Silvia Moosbrugger, geb. 1972 in Schladming/Steiermark, Diplomstudium der Geschichte im zweiten Bildungsweg an der Universität Wien, ist die Initiatorin und Betreiberin des Umweltarchivs und schreibt eine Dissertation über den Umweltschutzaktivismus in Österreich. Lebensmittelpunkt in Wien.
Motivation und Arbeitsfortschritt
Mein Umweltinteresse wurde Anfang der 1990er Jahre in einem kleinen ambitionierten Wiener Umwelt-Verlag OEDAT/Soyka (Öko-Adressbuch und Öko-Datenbank) geweckt. Als Datenbankkoordinatorin und spätere Produktionsleiterin für das jährlich erscheinende Öko-Adressbuch und in enger Zusammenarbeit mit dem Geschäftsführer Holger Soyka kam ich zum ersten Mal intensiv mit drängenden Fragen zu Umwelt, Gesundheit und Gesellschaft in Berührung. Vor diesem Hintergrund war ich aber fasziniert von Menschen im Umweltbereich, die sich eigenverantwortlich oft bis zur Selbstaufopferung für Umwelt und Gesundheit couragiert engagierten. Wie einzelne Persönlichkeiten an der Entfaltung von Gesellschaftsprozessen beteiligt sind und waren, half mir zu verstehen, dass gesellschaftliche Entwicklungen nur im historischen Kontext erklär- und beurteilbar sind. Aus der anfänglichen Faszination zum Umweltschutzaktivismus erwuchs schließlich der große Wunsch Geschichtswissenschaft zu studieren.
Der Forschungsschwerpunkt liegt auf dem umfassenden Thema des Umweltschutzaktivismus in Österreich. Dabei konnte ich Kenntnisse über Zusammenhänge, Netzwerke und Umweltaktivisten/NGOs erwerben, die in einem ideengeschichtlichen, gesellschaftlichen und politischen Kontext zur Ökologiebewegung einzuordnen sind. Im Zuge meiner Diplomarbeit: „Das strahlenrechtliche Bewilligungsverfahren Zwentendorf im Spiegel des internationalen Atomzeitalters und der politischen Kultur Österreichs“ (2012, Betreuer Oliver Ratholb und Gerhard Jagschitz) wurde unter anderem offensichtlich, dass eine ganzheitliche Analyse zum großen Thema der Umweltbewegung in Österreich fehlt. So wird beispielsweise die Atomdebatte in erster Linie über Affären oder die Tätigkeit von Aktivisten/NGOs wahrgenommen, meist aber werden die globale, regionale und lokale politische Bedeutung sowie deren Wechselwirkung zur österreichischen Politik und Veränderungsprozesse in den politischen Parteien außer Acht gelassen.
Daher habe ich mir die Aufgabe gestellt, diese Wahrnehmungslücke in der umwelthistorischen Geschichtsschreibung zu erforschen und bestmöglichst zu schließen. Meine Dissertation wird von Professor Gerhard Jagschitz wissenschaftlich betreut und begleitet.
Als Initiatorin des Umweltarchivs setze ich meine ganze Kraft ein, um die in Österreich bereits geleisteten Pionierarbeiten zur Umwelt- und Gesundheitsgeschichte nachhaltig sichtbar zu machen. Um dies zu ermöglichen, ist es nötig ein Umweltarchiv als Erinnerungsspeicher, kollektiven Gedächtnisort und Ausgangspunkt für weitere einschlägige Forschungen einzurichten.
Erinnerung stiftet Identität. Seit Anbeginn der Initiative steht die Idee der Sicherung des Schriftguts der österreichischen Umwelt-, Natur- und Gesundheitspioniere im Mittelpunkt, Menschen, die sich mutig für Umwelt- und Gesundheitsanliegen eingesetzt haben. Ihre identitätsstiftenden Errungenschaften können der jetzigen und künftigen Generation Orientierung und eine Erinnerungshilfe für gelebte Zivilcourage sein.
In der Verwirklichung einer unabhängigen, überparteilichen und digitalen Plattform für Umweltschutz und Zivilcourage ist der Werdegang des Umweltarchivs gekennzeichnet von „kleinen Schritten“ und einem „langen Atem“… Anhand von drei „Stationen“ werden nun im Zeitraum zwischen 2012 und 2018 arbeitsbezogene Ereignisse mit dem dazugehörigen Arbeitsfortschritt chronologisch skizziert:
Station 1, Ausgangspunkt: Diplomarbeit
Im Zuge der Arbeiten zur Diplomarbeit wurde unter anderem klar, dass die teilweise umfangreichen Materialien zum großen Thema des Umweltschutzaktivismus in Österreich nicht nur aus dem Blickfeld des öffentlichen Interesses rücken, sondern vor allem die Gefahr besteht, dass heute noch verfügbares Quellenmaterial von Privatpersonen ungenutzt für immer verloren geht. Dagegen wollte, ja musste ich etwas unternehmen! Gemeinsam mit Gerhard Jagschitz erstellten wir einen ersten konkreten Plan und starteten mit großer Freude und Entschlossenheit das Projekt Umweltarchiv im Jahr 2012.
Station 2, Föderer – Kooperationspartner und viele „Trainingskilometer“
Ein für mich unverzichtbarer Mitstreiter, Mentor und Förderer des Umweltarchivs war der renommierte Zeithistoriker Gerhard Jagschitz. Er begleitete diese Non-Profit Initiative seit Anbeginn mit Fachkompetenz, Optimismus und Entschiedenheit durch alle Stationen. Gerade sein Commitment zum Umweltarchiv und auch sein fester Glaube an das Potential des Umweltarchivs waren für mich besonders in schwierigen Situationen ein großer Antrieb und eine wesentliche Ermutigung.
Univ.Prof. Dr. Gerhard Jagschitz (1940-2018) ein Nachruf
Das Umweltarchiv ist auf eine Zusammenarbeit mit Personen, NGOs, Archive etc. ausgerichtet, die im partnerschaftlichen Wechselspiel bereit sind, unterschiedliche Ressourcen zu teilen. Es war sehr bald klar, dass wir dieses „Großprojekt“ weder allein bewältigen können noch wollen. Im Jahr 2013 starteten die ersten Gespräche zu möglichen Kooperationspartnern und Sponsoren. Der Anfang war sehr vielsprechend. Zwischen 2013 und 2014 wurden Sondierungsgespräche abgehalten und grundlegende Vorbereitungsarbeiten für das Archiv ausgeführt.
Mit den ersten Sponsorengeldern, wie zum Beispiel vom Verein Freistädter Mütter gegen Atomgefahren, finanzierten wir eine Machbarkeitstudie, wo wir sämtliche Aufgaben und Ziele detailliert analysierten und erstmals erfassten. Alsbald stellten sich mit unserem ersten Partner Forum Wissenschaft und Umwelt erste Erfolge ein. Im Mai 2013 konnte der physische Archivstandort bei dem Magistrat der Stadt Wien – MA 49 Forstamt bezogen werden. In diesem Jahr erhielten wir ein Stipendium für die wesentlichen Vorarbeiten des Umweltarchivs von der Elfi-Gmachl-Stiftung und eine finanzielle Förderung von Heinz Stockinger. 2014 folgte ein weiteres Stipendium vom Magistrat der Stadt Wien – MA 7 Wissenschafts- und Forschungsförderung. Diese beiden Stipendien haben uns sehr geholfen, um so die nächsten Schritte planvoll umsetzen zu können.
Im Frühling 2014 folgte die erste, für uns große öffentliche Bekanntmachung des Umweltarchivs und somit unser erster Auftritt in der österreichischen „Umweltszene“. Im Detail ging es um einen Aufruf für projektbezogene Unterstützung und Hilfe jeglicher Art: Sponsorengelder sammeln und neue Bestandsbeiträge werben, was sich leider als wenig realistisch erwies. Die Resonanz auf diese Aussendung war bescheiden und begleitet mit den drängenden Fragen der weiteren Finanzierung, Ausrichtung und Zukunft des Projekts. Vor diesem Hintergrund mussten wir uns im Spätherbst 2014 von unserem ersten Partner Forum Wissenschaft und Umwelt leider trennen.
Rückblickend war die erste Phase der Gründung geprägt von vielen „Trainingskilometern“, die uns auf die nächsten logischen zwei Schritte vorbereiteten: 1. die Entwicklung der Umweltarchiv-Webseite (online Frühling 2015) und 2. die Errichtung der Datenbank mit einem ausbaufähigen Dokumentationsarchiv. Die Entwicklungs- und Designarbeiten für Webseite www.umweltarchiv.at wurden bzw. werden größtenteils ehrenamtlich verrichtet, worüber wir sehr dankbar sind. Etwa zeitgleich mit dem Launch unserer Webseite konnten wir mit den Österreichischen Umweltanwaltschaften einen neuen Partner gewinnen. Ein wesentliches Ergebnis aus dieser Kooperation ist die Aufnahme der Burgenländerin – Klara Köttner-Benigni in das Umweltarchiv. Auf Initiative des damaligen burgenländischen Umweltanwalts Hermann Frühstück wurde nicht nur der Kontakt zur Bestandsinhaberin hergestellt, sondern er unterstützte die Vorarbeiten zur Einpflegung sowohl persönlich als auch finanziell. Wesentlichen Anteil an der Finanzierung der Webseiten-Contents hat die Wiener Umweltanwaltschaft, unter der Umweltanwältin Andrea Schnattinger. Mit diesen Geldern wurden sowohl Recherchearbeiten als auch Einpflegungs- und Digitalisierungsarbeiten von drei Provenienz-Beständen bezahlt. Im Winter 2015 wurde schließlich der Bestand von der Umweltpionierin Klara Köttner Benigni online präsentiert.
Vor dem Hintergrund der anstehenden Etablierungskosten für Webseite und Datenbank, versuchten wir 2016 diverse Förderungsgelder zu erhalten. Der diesbezügliche Aufwand ist bekanntlich immens hoch; der Outcome dagegen ist ungewiss und in unserem Fall war die Antragstellung vergeblich. Parallel dazu starteten wir mit den Einpflegungsarbeiten für den umfangreichen Bestand von Hans Peter Aubauer. Aus Zeit- und Geldgründen konnten wir bis Jahresende nur einen kleinen Teil im Umweltarchiv online stellen. Wir sind sehr bemüht diesen außerordentlichen Bestand bei gegebener Finanzierung vollständig zugänglich zu machen.
2017 waren wir mit der Einpflegung des Bestands von Friedrich Witzany ausgelastet. Wir sind weiterhin bestrebt, noch viele Bestände aufzunehmen bzw. einzuarbeiten. Für 2018 ist vorgesehen, ein virutelles denk-mal zum Jubiläum „40 Jahre Volksabstimmung Zwentendorf“ zu errichten. Darüber hinaus ist eine intensivierte Ausdehnung von Kooperationen mit Archiven, Instituten, NGOs etc. geplant, die wie wir Inhalte teilen und verlinken wollen. Beispielsweise wurde im Zuge der Einpflegung und Digitalisierung des oberösterreichischen Bestandes eine Kooperation unter der Direktorin Cornelia Sulzbacher mit dem Oberösterreichischen Landesarchiv geschlossen.
Station 3, Fokus – Ziele – Ausblick
Der Fokus liegt auf Menschen im Umwelt-, Natur- und Gesundheitsschutz, die Bemerkenswertes für die Menschheit bewegt und erreicht haben. Diese besonderen Menschen und Ereignisse sollen nicht in Vergessenheit geraten. Ihre Quellen, Dokumentationen sowie Ihre Leistungen sollen nicht verloren gehen.
Das übergeordnete Ziel war und ist, die Etablierung und Betreibung eines unabhängigen überparteilichen Umweltarchivs. Konkret heißt das für uns: 1. Forscher und Interessierte sollen Informationen aus dem multimedialen Archiv schnell, leicht und kostenlos abrufen können. 2. Forscher, sachlich Interessierte, amtliche Stellen, Medien und Entscheidungsträger sollen durch klare und strukturierte Aufbereitung zum vertiefenden Recherchieren der multimedialen Inhalte angeregt werden. 3. Vernetzung und Verlinkung: Forcierung und Ausdehnung von Kooperationen mit Archiven, Bibliotheken, wissenschaftlichen Instituten und NGOs.
Seit 2018 wird ein aktives „Netzwerken“ und „Austauschen“ angestrebt. Im Unterschied zu den herkömmlichen Archiven etc. liegt die Ausrichtung des Umweltarchivs auf multimedialer Dokumentation, Vernetzung und Kooperation mit Partnern aus allen gesellschaftlichen Bereichen. Diese Plattform versteht sich somit als Wissens- und Erinnerungsspeicher und auch als ergänzendes Angebot zu den bereits bestehenden öffentlich-privaten Archiven und sonstigen Einrichtungen.